tagebuch

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die dame an der kasse des vietnamesichen gemüseladens, bei dem ich stammkundin bin, erzählt mir von einem traum. "du und deine kinder und ich, wir sind zu metro gefahren. zusammen. unterhalten. mann sagt, geh, mach einkauf." sie lacht und wiederholt den traum, wir strahlen uns an, froh, einen weiteren schritt in unserer federleichten freundschaft gemacht zu haben.

vorher der mechaniker in meinem fahrradladen, der mir, während wir mein rad beratschlagen, so nebenbei mein schloss mit graphit behandelt, kommentarlos.

die frau auf dem markt, die die blauen ohrringe, die ich kaufe mit lauter 50cent-stücken aus allen manteltaschen noch dreimal neubiegt und die kleinen haken austauscht, weil sie nicht richtig baumeln, nachher weiß ich, dass sie gestern gefeiert hat, dass ihre tochter sehr viele haare hat, und dass ihre hände warm bleiben in der kälte, durch das hantieren mit dem feinen werkzeug.

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memo: dass es im nachbarzimmer so laut zwitschert, liegt an den gastvögeln, die dort stehen.

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der sehr junge süddeutsche punk und sein bruder, auch ein junger punk, die nachts in der gestopft vollen tram ihre mutter anrufen wollen, und sich gleich sorgen machen, als sie nicht durchkommen. daneben der andere vorzwanziger, der die ganze zeit versucht, in meine tasche zu kotzen, bis ihm seine freundin ihre tasche reicht: "hier. nimm die." eine frau will mich noch mit auf ne party nehmen, wenn ich neben ihr herlaufe, weil sie sich dann einhaken kann wg. dem gleichgewicht, aber wir kriegen auch zu zweit die adresse nicht raus ("nee, mehr links von hier"). wunderbar alles. berlin ist super. mehr ausgehen werde ich next year!

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bei saturn endlich ein muttergeschenk* gefunden: stolz und vorurteil, bbc, ca. 60 folgen in dvd-kassette, letztes jahrhundert, das würde ich auch gern mal so mit yogitee und petit fours im januar. an der kasse in letzter minute umgedreht: niemals der mutter etwas schenken, das so heißt, stolz und vorurteil, wer weiß denn schon genau, wo sowas hinsickert, bildung a parte. stattdessen krömer international, den man nach 10 metern in einem saturn-laden z.zt. in jeder zugänglichen tasche stecken hat, inclusive kapuzen und hosenaufschlägen, und weil mama sich immer gerne über wowi lustig macht.

*dieses jahr geschenkkasten, in den man lauter nette sachen packen kann, selbstgemachte fotokalender (auch son unspoken vorteil von kindern), pralinen, dvds, kekse, supersamtseife und cds oder so.

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Am Montag den Kindern einen Sofafilm versprochen am Samstag nachmittag. Jetzt machen die nur Theater, grade brüllt der Große seinem Bruder vom Balkon aus zu: Gregor ist ein A…och! Gregor ist ein A…och! Und der ganze Vormittag hat die Jungs schon weit jenseits der allerletzten Verwarnung gebracht (Erste – zweite – vorletzte – letzte – allerletzte). Meine Kinder werden nie für irgendwas ein Megafon benötigen, sie kommen mit starken lauten Stimmen aus ihrer Kindheit. Ich aber muss dringend arbeiten heute nachmittag, also wenn ich jetzt den Film streiche, und alles andere ist den Kindern egal, dann schneide ich voll und tief ins eigene Fleisch, es gibt immer nur Regen oder Traufe hier.

Überhaupt sagen die Leute doch immer, die Jahre zwischen 6 und 12 seien die schönsten mit den Kindern, not my planet. Wenn jedes Nein ein Pingpongball wäre, dann werden hier jeden Tag riesige Säcke davon ausgekippt, wie hier, nur ohne Musik, ohne Farbe, ohne Ende. Man fällt ständig auf die Nase und es sieht nicht schön aus in der Wohnung, und abends muss ich das dann auch noch aufräumen, und man fragt sich, warum verbringe ich mein Leben ausgerechnet unter diesen kleinen herumhüpfenden Bällchen, und wumms! hat man sich schon wieder auf die Nase gelegt, weil man in sich geguckt hat statt nach vorne.

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What should I do?
Whatever it takes.

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grr, teil x: seit monaten freuen wir uns innerfamiliär auf den film ratatouille, für den ich previewkarten am sonntag nachmitag in einem kino mit popcorn etc.pp gekauft hatte - dann stellt sich heraus, dass der ex-kindergarten an diesem wochenende seine alljährliche fahrt nach *schönes kuhdorf im umland* macht, zu dem die frisch eingeschulten noch einmal mit dürfen, sehr geliebt von den kindern, mit lagerfeuer und jugendherbergsessen, man sieht ungläubig kauende erwachsene und glückliche kinder, hab ich nie verstanden, die mögen das. mutter denkt auto weg, kommt se nicht hin, bleibt es bei kino. jetzt bieten mir haufenweise nette menschen mitfahrgelegenheiten an, wir entscheiden uns um, die schönen premierenkarten sind weitergegeben. alles freut sich, und jetzt? jetzt weiß ich endlich, wie genau läuse aussehen, klein, sehr klein. kein ausflug, kein kino, morgen ein jobtermin, der unverschiebbar ist, kindvater nicht anwesend, kein mensch hütet läusekinder, wenn er haare hat. bin mal kurz in der nachtapotheke, um goldgeist zu kaufen. dann werde ich mich betrinken, mit rum, alles andere ist alle.

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ich werde meine single-problematik jetzt mal professionell angehen und habe mich bei einer online-partnervermittlung angemeldet, die mir bei der lektüre der sz-online immer ins auge springt, nein drängelt, also die eine gewisse beharrliche unübersehbarkeit auf der homepage meiner lieblingszeitung innehat. als erstes, also zwei minuten nach meiner freischaltung, hatte ich zwei männer an der backe, die mehr von mir wollten, also die mehr von mir wissen wollten, wow, dachte ich eher erfreut, das geht ja ab hier. nach weiteren zwei minuten bemerkte ich, dass alle beide "verheiratet" und "ohne eigenen haushalt" waren, das ist zutiefst verachtenswürdig! gar nicht mal die suche nach affären, sondern die spamhafte art der suche, die sich später weder mit ich konnte nicht anders noch mit sonstiger triebhafter unbezwingbarkeit herausreden können wird, oder will.

das ist ja mit steigender lebenserfahrung ein allgemeines problem, man will ausgesucht werden und nicht einfach nur aufgrund des eigenen geschlechts so mitgevögelt werden.

als nächstes war ich überwältigt durch die breite, höhe und tiefe des angebots, hunderte von anzeigen hat man dann auf dem bildschirm, sie verschwimmen zu einer reinen masse, man kann sie in dieser anzahl nur mit demokratisch interesseloser neugierde lesen. das hirn pariert mit logistik, das tut es immer, sobald es masse zu bewältigen gilt, und entwickelt eine praktische strichlistenmechanik, die nach mehr oder weniger originalität, mehr oder weniger kindern, mehr oder weniger lustigen antworten sucht auf die vom anbieter gestellten 25 fragen.

2 bekannte gefunden, beide sehen super aus auf ihren fotografien. meine bilder hab ich dann sofort wieder offline genommen, weil sie dort ja nicht nur von dem einen, sondern auch von allen anderen gesehen werden können, und es lässt mich nicht ganz kalt, wenn bild samt personenstand (i.s. von schicksal) dann für sich stehend im web 2.0 herumstehen, selbst wenn sie dort nicht weiter beachtet werden.

naja, es hatte auch etwas damit zu tun, dass ich nicht so super aussah auf den fotos, obwohl man ja nie weiß, was die anderen in einem sehen können. aber es bestehen ja sowohl die möglichkeit als auch die gefahr, dass sie tatsächlich alles sehen, was es zu sehen gibt, you know, das ist nicht geheuer.

jetzt, nach 4 tagen, habe ich ein einziges chatangebot abgelehnt, weil der mann bei 180cm über 110kg schwer war und dies als "ein paar kilo zuviel" bezeichnet hat. andere chatangebote hatte ich nicht, offensichtlich sind alle normalgewichtigen männer sehr schüchtern, hab ich mir dann so gedacht, und überlegt, ob ich meine kinder nicht doch erstmal rausstreichen soll, "hups! vergessen" für die erste kontaktaufnahme, und "autorin" oder "journalistin" als beruf, die sind beliebt bei den männern, hab ich mir sagen lassen, und damit würde ich dann nicht zu 100% prozent lügen.

auf der anderen seite der großen prairie aber lockt eine andere vision sozusagen unbekümmert vor sich hin: ich werde meine abende der erkundung unterschiedlichster koch- und dessertrezepte widmen, alle unbekannten tollen serien kaufen (sopranos! curb your enthusiasm! west wing!) und gar nicht mehr ausgehen, mit baileys und pralinen, also mich zielstrebig verrundlichen und die welt mit apfelkuchen beglücken. die ausgehzeit ist vorbei irgendwie, und ich vermisse sie nicht mal doll.

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bei aller liebe zum handwerk bin ich immer noch genuin erschreckt, wenn direkt vor meinem fenster plötzlich außen einer steht, und von dort blicke auf meinen schreibtisch wirft, alle paar sekunden einen, der dann immer gegen den bildschirm fliegt oder mir an den kopf oder auf der tastatur landet, und dabei raucht der mann, niemand von uns verzieht eine miene nach dem morgendlichen gutenmorgen, weil es nichts gemeinsames gibt jenseits unserer anwesenheiten. aber immer wenn ich zuhause am schreibtisch sitze, habe ich zwei solcher leute unmittelbar vor meinem glas stehen, und dort sehr laut handwerken, ich denke, so viele zufälle passen nicht ins zufallskonzept. sehnsucht nach privatsphäre, nackt durch die wohnung laufen können, nicht gesehen werden in meiner wohnung, stille hören, einen stressfilm habe ich im hirn von dieser haussanierung, pöh. und die ganze müh wofür? für rosa! weil das haus ein ensemble machen soll mit dem nachbarhaus, das von seinem geschmacksverirrten besitzer in einem scheußlichen graupenrosa gestrichen worden ist, ein rosa wie der sonnenbrand eines betrunkenen bleichen engländers, aber das ist dem denkmalamt wurscht, das würstchenrosa. mir ja nicht. pöh.

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morgen ist es soweit, die zwillinge werden eingeschult. ihre energie ist kaum zu bändigen gerade, sie halten sich in ihrer unruhe fest an althergebrachtem, das ist einmal der kleinkrieg untereinander, wer was bekommt und entscheiden darf, auf der anderen seite das blinde verständnis beim spiel, mit völligem versinken in rollen, dialogen und ihrer sicheren zweisamkeit. beide kommen in verschiedene klassen, das macht sie nervös und wackelig vor vorfreude und angst. ich hab in den letzten beiden wochen gemerkt, wie sich das innerfamiliäre system der beiden langsam auflöst, es trägt sie nicht mehr, wer wann stärker oder schwächer ist, wer provoziert und wer vermittelt, und wann sie das jeweils tun, die ganzen zuständigkeiten und hierarchien der beiden sind schon gekippt. sie wissen irgendwie, dass ihr alleinsein in der schule eine neue ordnung braucht, eine, die außerhalb ihrer vertrauten zwillingswelt liegt. und dieses alleinsein wird mit pauken und trompeten begrüßt, mir fliegt hier abwechselnd alles um die ohren, dann muss ich sofort entscheiden und wahrheiten wissen, immer – oder ich werde überhaupt nicht mehr beachtet. grad pfeift david vor sich hin und gregor baut eine legobahn, in einem langen spiel, das sie nacheinander mit fast allen spielsachen in kontakt bringt. sobald einer sich vom andern entfernt, wird er gerufen, "komm zurück! wo bist du?".

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