Freitag, 1. Juni 2007

verloren

am kindertag musste die lieblingserzieherin der zwillinge ihr ältestes kind beerdigen, er ist fast 15 jahre alt geworden, hirntumor. das packt mitten in die eingeweide und rückt alles, alles eigene gerade, da hängt der hammer, nichts anderes ist wirklich oder unwirklich wichtig, oder anders herum, alles lebende wird plötzlich wichtig, im allgemeinen blätter-vögel-sensorik-sinne, auf der privilegienseite sind wir, lebendig, aber das ist ja kein privileg, schief hängt man dann im selbstverständlichen, das ringen nach worten, ich sollte nicht darüber schreiben vielleicht. die eltern und die anderen im kindergarten heute belämmert und stumpf, überall nasse augen heute früh, das meer der tränen, wir haben geweint für dich, kind, aber naja, es scheint kaum angemessen. was soll man da sagen? und wem? lauter wilde und zornige gebete, aber ich lande dann immer wieder in dieser kinderbiografie, die sich eben auf diese weise vollendet hat (wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst). man wünscht der mutter einen frieden, oder einfach ein leben, ein auskommen, aber mann, das wird hart, die sprache hat da nichts. ich bin nicht hingegangen, weil ich nur die mutter kenne, und nur über ihren job, und weil der unterschied zwischen meinem mitleid und ihrem schmerz nicht überbrückbar ist. aber ich hätte gehen sollen, denke ich.

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pepa (Gast) - 1. Juni, 22:10

"Hauptsache ist doch, die Kinder sind gesund!"

Vor jetzt fast 48 Jahren ist mein Bruder gestorben. Er ist nur 14 Monate alt geworden, ich habe ihn nicht kennen gelernt.
Meine Mutter kann sich über alles mögliche ärgern oder aufregen, sie kommt immer, immer an den Punkt, wo sie diesen Satz dort oben sagt.
Es gibt nichts Einschneidenderes, als ein Kind zu verlieren.

Casino - 2. Juni, 11:53

nein, kann es nicht geben. und einen bruder!

ich kann mir das gar nicht vorstellen, aber der satz deiner mutter ist richtig, absolut.
alex63 - 1. Juni, 23:34

hätte sollen. ich träume von einer welt, wo man das nicht mehr sagen und denken muss. toll, dass du es trotzdem sagst. ja natürlich hättest du dahin gehen sollen. ich hätte auch zu meiner lieblingstante ins hospiz gehen sollen. bevor sie gestorben ist. wie mich das früher immer so abgestossen hat, das verschließen der augen vor dem tod. und noch mehr dem sterben gegenüber. sprechen, hingehen, vielleicht sogar trost spenden ist immer besser als den kopf in den sand stecken und so weitermachen als wäre nichts passiert. ach.

Casino - 2. Juni, 11:57

stimmt, wenn man sonst nichts tun kann, dann sollte man das eben tun, hingehen und trost aussprechen.
isabo - 3. Juni, 01:03

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Renate (Gast) - 3. Juni, 18:33

Als ich letztes Jahr im Krankenhaus war, auf eine Operation wartete, bin ich nach unten in die Kapelle gegangen, die das Krankenhaus im Keller hat. Ich bin nicht gläubig, mir war nur langweilig, und ich hatte eine scheiß Angst.
An dem Kreuz dort konnte man so kleine Post-it Zettel ankleben mit "Fürbitten". Auf einem Stand:
"Gott, vielen Dank dass du unser Freund bist. Bitte erlöse unsere Tochter von ihren Schmerzen. Und gib uns die Kraft, das alles durchzustehen".

Da war meine Angst nur noch klein. Demut. Lernt man vielleicht nicht anders.

wasweissich - 4. Juni, 21:45

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[Wobei ich den Satz in den Kommentaren: "Hauptsache, die Kinder sind gesund" persönlich für einen der schrecklichsten Sätze halte. Kinder müssen nicht unbedingt gesund sein. Am Leben, ja. Glücklich, ja. Aber gesund? Nein, finde ich nicht.

Mein Kind ist nicht gesund, na und?]
pepa (Gast) - 6. Juni, 20:29

Ihre Empfindsamkeit dieses Thema betreffend ist nachvollziehbar.

Dennoch.
In dem Moment, in dem ich "Gesundheit" nicht als persönliche Leistung oder ein besonders aufwertendes Merkmal eines Individuums verstehe, kann ich mir auch Gesundheit für meine und nicht nur für meine Kinder wünschen. Vor diesem Hintergrund finde ich es zum Beispiel vollkommen legitim, dass ich meinem eigenen körperbehinderten Sohn wünsche, er möge nicht die Schmerzen erleiden, die er schon jetzt beim Gehen hat und die sich im Laufe seines Lebens vermutlich weiter steigern werden.
Meine Mutter, von der dieser Satz dort oben stammt, war über 50 Jahre mit einem Behinderten verheiratet, meinem blinden Vater, der auch der Vater des verstorbenen Säuglings, meines Bruders war und dem ich vor nicht allzu langer Zeit noch inständig gewünscht habe, er wäre die letzten Jahre seines Lebens nicht vom Hals abwärts gelähmt gewesen (er war zu diesem Zeitpunkt kein Kind mehr, ich weiß. ;-) ), was ihn und uns nicht daran gehindert hat, zu versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen.

Es ist eine Frage der Definition.
Und dass man einen Menschen annimmt, auch wenn er im landläufigen Sinne nicht "gesund", vielleicht sogar sterbend ist, daran arbeite ich nicht nur privat.

"Hauptsache die Kinder sind gesund."
Wohlbefinden ist gemeint, nicht Makellosigkeit.


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