Mittwoch, 3. Mai 2006

Wäre fein

Mein älterer Sohn besucht eine relativ gute Grundschule. Lehrerin ist prima, Direktorin ist wunderbar, man kümmert sich um die Kinder, um Räume und Angebote in der Hortzeit, die Schule sucht Kontakt zur zuständigen Senatsverwaltung und kämpft engagiert gegen die allfälligen Kürzungen. Unglücklicherweise hat sich das herumgesprochen hier im Kiez, und als im letzten Schuljahr plötzlich fast doppelt so viele Kinder schulfähig wurden (die Altergrenze ist herabgesetzt woden, so dass 5 1/2 jährige Kinder schulpflichtig werden), gab es ein Problem: Viel mehr Anmeldungen als Plätze. In Berlin entscheidet der Wohnsitz des Kindes über die Schule, an die es kommt, wünschen die Eltern eine andere Schule, so müssen sie rechtzeitig einen Umschulungsantrag stellen. Wir hatten zunächst Glück, da wir noch so gerade im Umfeld unserer Wahlschule leben, aber meine italienische Vergangenheit machte mich vorsichtig, und ich wartete mit der Schulanmeldung bis zur letzten Woche und fragte vorher im Sekretariat nochmal nach:
Viele Anmeldungen?
Sehr, sehr viele, man würde womöglich die Zuständigkeitsbereiche verändern müsen, um die Schülerzahl zu reduzieren.
Wie, nach der Anmeldung wird die Zuordnung der Strassen noch mal verändert? Und dann ist man als Elternteil völlig ahnungslos davon überzeugt, das Kind an der Wunschschule angemeldet zu haben, und dann werden die Regeln nachträglich noch mal geändert?
Ja, wir wissen ja auch nicht, was wir machen sollen.

Ich also meinen Sohn beim Vater angemeldet, der in der Stargarder Strasse wohnte und somit noch im richtigen Kiez. Hat geklappt, ganz knapp, weil der Ring sehr, sehr eng gezogen worden ist um die Schule, lange nach der Anmeldung im September/Oktober, sogar erst kurz vor den Somerferien, damit die Eltern erst ganz kurz vor Schulbeginn erfahren, ob ihr Kind womöglich an die bekanntermassen schreckliche Schule im Ernst-Thälmann-Park kommen wird, zu spät, um noch etwas tun zu können.

Jetzt bin ich wieder kurz vor dieser nervigen Affäre: Früher gab es eine sogenannte Geschwisterregelung, die den Geschwisterkindern einen Platz an derselben Grundschule ermöglichen sollte. Auch das hat Berlin abgeschafft, wir wohnen nicht mehr im Zuständigkeitsfeld meiner Wahlschule, ich muss also einen Umschulungsantrag stellen, der nach den Kindern innerhalb des Meldebereichs abgehandelt wird = aussichtslos. Es sei denn, es werden wieder weniger Kinder, weil ja theoretisch nur einmal doppelt so viele eingeschult werden müssen. Dann wird der Meldekreis wieder geändert, aber sagen tut einem das keiner. Deutschland hat keine freie Schulwahl, und es kümmert selbstverständlich niemanden, ob man als Alleinerziehender sein Kinder dann auf verschiedene Schulen bringen muss, oder dass die Kinder gerne in derselben Schule gehen würden, wen interessieren hier schon die Kinder.

Und die Direktorin? Der tut es leid. Die Behörde entscheidet darüber, wo welche Kinder eingeschult werden, die Schulen selber haben da überhaupt keine Stimme.

Das heißt, ich suche für meine Zwillinge einen Wohnsitz in unmittelbarer Nachbarschaft der Schule. Wenn das alle tun, haben die Kinder, die tatsächlich dort wohnen, natürlich auch geringere Chancen, und die mit dem rechtmäßigen Umschulungszirkus auch. Ich könnte auch schnell eine Rechtschutzversicherung abschließen und meine Kinder dort nach erwartbarer Absage einklagen, es gibt schon einen Anwalt, der die Marktlücke erkannt hat. Der soll fies und teuer, aber erfolgreich sein.

Und wie einfach war der Umgang mit der italienischen Bürokratie: Entweder man kennt jemanden, der jemanden kennt. Oder man tut einen Gefallen. Man war nicht so machtlos. Übertrieben ausdifferenzierte Bürokratien verschleiern immer nur Machtverhältnisse, und inzwischen sehe ich die Bestechlichkeit Italiens als angemessene Antwort auf eine solche Regulierungswut, die ja in diesem Fall ausschließlich den Staat schützt und nicht seine Bürger. (Hey, ich muss was übersehen haben.)

Es wäre also fein, wenn man zumindest den genauen Meldebereich vor der Anmeldung kennen würde, und der nicht danach noch nach Belieben geändert wird. Ein Blick ins Melderegister dürfte der Schulbehörde eigentlich genügen, um die erwartbare Schülerzahl herauszubekommen. Wäre auch fein, wenn die Direktorin mitreden dürfte bei der Schülerauswahl.

Wäre überhaupt fein, wenn die Gelder für die Hortangebote nicht wie angekündigt gleich wieder gestrichen werden, nachdem irgendein Amt mit ihrer Bewilligung angeben konnte, wenn endlich die fehlenden Lehrer eingestellt würden, und es nicht noch weniger werden nach einem neuen Personalschlüssel, wenn die 1-€-Jobs für Computerraum und Bibliothek nicht gestrichen worden wären. Wäre schön, wenn Herr Böger mal antworten würde auf die Forderungen der Schule nach "Aufstockung des Lehrpersonals, Entsendung eines Erziehers sowie Teilzeitstationierung eines Sozialarbeiters bzw. Kinderpsychologen an der Schule, um die zunehmenden Sozialprobleme zu bearbeiten". Und wenn nicht mehrere Elternbesuche und -Anrufe nötig sind, um bei zweimonatiger Krankschreibung einer Lehrerin eine Ersatzkraft einzustellen.*

Aber schönschwätzen übers Kinderkriegen, man könnte kotzen, Regierung.


*aus dem Infobrief der Elternvertretung Th.-M.-Grundschule

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wasweissich - 3. Mai, 13:02

Odyssee der Einschulung

"Ein Blick ins Melderegister dürfte der Schulbehörde eigentlich genügen, um die erwartbare Schülerzahl herauszubekommen": würde man denken, aber oho, das funktioniert wirklich überhaupt nicht. Bei uns sah das so aus: mein Sohn wäre eigentlich ab August schulpflichtig. Bei der "Hilfe für das autistische Kind" war kein Schulplatz für ihn frei. Dort gibt es 12 Plätze bei schätzungsweise mind. 50 bedürftigen Kindern, darum müssen die überzähligen Kinder in Schulen für geistig Behinderte gehen. Das begrüßen einige Eltern allerdings sowieso, weil ihre Kinder dann nicht ausschließlich von Autisten umgeben sind, dennoch muss die GB-Schule natürlich für die Bedürfnisse geeignet und müssen die Lehrer in der Autismusförderung geschult sein. Im Wedding gibt es schon mal gar keine GB-Schule, also werden wir entweder Reinickendorf oder Mitte zugeteilt. Beide Schulen sind aber für meinen Sohn sehr ungeeignet. Demgegenüber gibt es in Pankow, was auch nicht weiter weg ist, eine GB-Schule, die geeignet wäre. Dort haben wir aber keine Priorität, weil wir eben eigentlich nach Reinickendorf oder Mitte gehören. Nur bei freien Plätzen geht das, zum Auffüllen der Klassen. Man konnte allerdings überhaupt nicht sagen, ob mein Sohn einen Platz bekommt. Durch die Frühfördergruppe vorgewarnt, die damit einschlägige Erfahrungen hat, stellte ich vorsorglich bei der zuständigen Schulrätin einen Antrag auf Zurückstellung, mit Gutachten vom Sozialpädiatrischen Dienst und allem Pipapo, sowie der stillen Übereinkunft, alle Papiere einfach in den Müll zu werfen, falls mein Sohn einen Platz bekommt. Er bekam keinen Platz, wie sich sehr spät herausstellte und darum entschied ich mich für die Zurückstellung. Nun wird er ein weiteres Jahr in die Frühfördergruppe gehen, was sicher auch gut ist, aber das bedeutet für mich auch, dass er ein weiteres Jahr nur bis 15 Uhr betreut wird und meine Arbeitsmarktaussichten realistisch gesehen nun bis August 2007 brachliegen werden. Und man denke bitte nicht, dass ich meinen Sohn bei der "Hilfe für das autistische Kind" oder in der Schule in Pankow nun anmelden könnte: man kann oder will hier wie dort wieder gar nichts vorhersehen, das steht wohl nicht in den Statuten und es wird wieder alles auf den letzten Drücker gemacht werden. Ende 2006 werde ich also mit derselben Unsicherheit ins Rennen um die Einschulung gehen, habe aber dann nicht mehr das As der Zurückstellung im Ärmel. Wer weiß, vielleicht ziehe ich dann nach Pankow oder Prenzlauer Berg, das gehört ja nun zusammen. Allerdings: umziehen darf ich eigentlich nicht ohne Grund (und Schule zählt nicht als Grund, sagte man mir!), weil sich dann alle zuständigen, geldgebenden Bezirksämter (Jugendamt, Behindertenfürsorge etc.) ändern würden. Also müsste ich eigentlich erst einen Job haben, um umziehen zu dürfen. Andererseits müsste ich eine längere Betreuung haben, um arbeiten zu können. Ständig beißt sich die Katze in den Schwanz...

Casino - 3. Mai, 13:58

Au weh, eine sehr dicke Katze. Das ist ja alles noch absurder, da werden die Maßstäbe für gesunde Kinder unbesehen weiterverwendet (Meldeort) und die Einschränkungen durch die besonderen Ansprüche deines Sohnes einfach unbesehen obendrauf gepackt, da hilft ja nicht mal das aus alten Berliner Subventionstagen bekannte strategische Denken. Zum durchdrehen.

Und wie in Deinem Fall so gar nichts übrigbleibt von der Erleichterung, die Bürokratie als demokratischer Regelkreis ja auch bieten könnte, also 1, 2 und 3 tun, damit 4 dann passiert. Sondern nur noch Schikane.

Du darfst nicht umziehen ohne Grund? Das geht dann doch bisschen zu weit. Ein erheblicher Eingriff in Deine Entscheidungsfreheit. Solche Bedingungen können gestellt werden, ohne Entgegenkommen im konkreten Fall? Säcke, echt. Machs doch wie die anderen Eltern auch, melde dich einfach um ohne umzuziehen, die Schulbehörde kann das gar nicht weitergeben an die geldgebenden BAs. Das kriegen die organisatorisch nicht gebacken. Bürokraten muss man verwirren.
wasweissich - 4. Mai, 08:53

Ich werde mir da auch schon was einfallen lassen, da bin ich gar nicht bange. Das ist alles ein großes Spiel und man muss da gut taktieren: siehe den diesjährigen, gleichzeitigen Rückstellungsantrag mitsamt Verbündigung mit der Schulrätin. Der fast einzige Grund, warum ich umziehen dürfte, ist allerdings "Familienzusammenführung". Muss man also entweder schnell jemanden heiraten, der in Pankow/ Prenzelberg wohnt, oder mein Bruder muss da hinziehen oder oder oder. Wie gesagt, ich bin noch nicht Schachmatt ;-)

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