Einsamkeit kann man suchen oder flüchten, Alleinsein nicht. Alleinsein ist existentiell. In der Menge fühle ich mich meist sehr allein, aber niemals einsam. Man wird allein gelassen, das ist etwas, was einem andere antun, man erleidet es. Dagegen ist man ohnmächtig. Zum Vereinsamen dagegen trägt man selber bei. Man kümmert sich nicht um neue Kontakte. Auch die zusammengesetzen Wörter deuten in diese Richtung. "Mutterseelenallein" trifft das vollkommene Verlassensein, das Geworfensein, während "Waldeinsamkeit" z.B. eher eine romantische Konnotation an, der selbstgewählte Rückzug von der wuselnden Alltagswelt in die die Seele beruhigende Natur. Folgendes Gedicht von Dieter Leisegang drückt die Differenz zwischen den Begriffen recht eindrucksvoll aus:
Einsam und allein
Einsam und allein
Einsam ist ja noch zu leben
Hier ein Ich und dort die anderen
Kann durch die Alleen wandern
Und auf Aussichtstürmen schweben
Einsam ist noch nicht allein
Hat noch Augen, Ohren, Hände
Und das Spiel der Gegenstände
Und die Trauer, da zu sein
Doch allein ist alles ein
Ist nicht da, nicht dort, nicht eben
Kann nicht nehmen oder geben
Leergelebt und allgemein
Eine andere Perspektive
Einsam und allein
Einsam und allein
Einsam ist ja noch zu leben
Hier ein Ich und dort die anderen
Kann durch die Alleen wandern
Und auf Aussichtstürmen schweben
Einsam ist noch nicht allein
Hat noch Augen, Ohren, Hände
Und das Spiel der Gegenstände
Und die Trauer, da zu sein
Doch allein ist alles ein
Ist nicht da, nicht dort, nicht eben
Kann nicht nehmen oder geben
Leergelebt und allgemein