sunday afternoon

seas who could sing so deep and strong

Wenn die Kinder weg sind, dann ist alles so zweigespalten: wie früher, immer gleich wie früher (Peng) und nicht nur bisschen anders als sonst. Musik, TV, FAS, freundliche Sorgenverdrängung. Nach einem Theaterstück noch über das Stück nachdenken, sogar mit Freundinnen, das Programmheft lesen. Telefonieren. Am Schreibtisch sitzen und die Lampe schön finden. Aber als background immer dabei einen kleinen ganz leisen feintemperierten basso continuo, so einen körpernahen: wo seid ihr, kommt zurück, meine Kleinen, kommt zu Mama.

time for music

Mein erstes Stöckchen, supi. Leider eins mit 20, 20, 20 einzelnen Fragen, das geht nicht. Ich werd einige Fragen zusammenfasssen.

1. Lied aus frühester Kindheit:
Schlaf-, Schlaf- und nochmals Schlaflieder. Dann die Platten meiner Mutter: Leonard Cohen, "Suzanne" (...Suzanne takes you down/ to her place near the river...) und Lobo, und die Beatles. Mein Vater hörte überhaupt keine Musik, was ich zeitlebens nicht verstanden habe.

2. Erste Liebe:
"Locomotive Breath" von Jethro Tull! Wir hörten das aus Kassettenrecordern in Zimmern mit runtergelassenen Rollos, wegen der große Hitze im Mailänder Sommer, im dämmrigen Nachmittagslicht, und sprachen nicht so viel dabei. Auf einem weißen Zottelteppich, über dem der Staub tanzte. Genau! Das war die Lieblingsband des Auserwählten und ich sparte auf ne Querflöte.

3. Urlaubserinnerung:
War Anfang der Achtziger mal mit Freunden Strassenmusik machen, in der Toscana, für die Abendpizzas, mit Zelt, Käfer und einem schönen Gitarristen. Wir sangen am liebsten "The Boxer" von Simon & Garfunkel, aber wir waren sehr jung. Hey, und wir scheiterten immer an "Tobacco Road", von wem war das noch? Brod?

4. ach peinlich, nö. Aber meine Schwäche für "You shot the moon" von Nora Jones häng ich nicht an die große Glocke.

5. Liebeskummer
6. am häufigsten gehört und
10. spezielle Begebenheit:
Det ist jetzt doch etwas peinlich. An meiner Schule hatte so ein neumodischer Musiklehrer Jesus Christ Superstar inszeniert, und irgendein Irrtum brachte mich für ein Solo auf die Bühne, und ich liebte den Bassisten, natürlich, und der liebte Maddalena, die göttergleich sang, und zwar dieses Heulerlied: "Why". Das musste ich mir wochenlang anhören, und dabei sogar mitsingen, und der Bassist und die Maddalena hielten Händchen. Die spezielle Begebenheit ist die, dass ich, als die Aufführung endlich stattfand, nicht nur das timing, sondern auch die Tonhöhe verpatzte.

7. Liebstes Instrumental:
„Fantasia Suite“, Al di Meola, John McLaughlin und Paco de Lucia (oder war der da nicht bei, weiß nimmer), und Bach, und Mozart, und die Romantiker, und Thelonius Monk, und Arvo Pärth, echt, die Frage ist ja wohl nicht ernst gemeint: EIN Instrumental.

8. Ein Lied der Lieblingsband:
9. Ein Lied, in dem ich mich wiederfinde
Lieblingsband, hab ich nicht mehr, das war früher. Die letzte L.b. war Nirvana! Mein Song war "Come as you are". Immer noch saugut.

11. Entspannung:
Grade Schubert, so ein Stück für Vier Hände, gespielt von Jano und Kollar

12. Ein Lied, das für eine richtig gute Zeit in deinem Leben steht:
"Cosmic Debris", Frank Zappa, eigentlich der ganze Zappa

13. Momentaner Lieblingssong:
„Mama don’t smoke“, Bran Van 3000, und zwar, weil ich den immer höre. Nicht umgekehrt, ich vergesse immer, die Wiedergabelisten neu zu machen und höre immer die gleichen. Ach, außerdem ein gute-Laune-Frühlingssong: "Jolie Jolie" von Rickie Lee Jones

14. Ein Lied, das du deinem besten Freund widmen würdest und
15. Ein Lied, das außer dir niemand hört:
„Oh sleep, why dost thou leave me“, aus der Semele-Oper von Händel, und die Freundin weiß, warum.

16. Ein Lied, dass du vor trotz allem wegen seiner Lyrics magst:
„What I always wanted“, Swell

17. Nicht deutsches/englisches, (und auch nicht italienisches) schönes Lied:
"Le scarp de tennis“ von Enzo Jannacci, das ist auf milanes! Alte Zeiten, seufz.

18. Lied zum abreagieren
Ach, das geht am besten mit den ganzen guten alten Sachen, „Lust for Life“ von Iggy Pop, z.B.

19. Ein Lied für die Beerdigung:
Irgendwas kurzes, es ist doof, bei Beerdigungen lange Stücke zu hören. Ich will 100 werden, und das Stück soll dann höchstens 5 oder 10 sein.

20. Eins der besten aller Zeiten
"Find her finer", macht immer, immer gute Laune.

Und jetzt hab ich gemerkt, dass es doch viel zu wenig Fragen sind, weil plötzlich die ganze Musik von früher wieder da ist, dafür ein Riesendanke an Johnny, you made my day. Hier wackelt grad der Boden, weil mal wieder die richtige Anlage läuft und nicht nur die Rechnerquäkies. Noch eine Frage sollte sein:

21. Was hast du früher gehört und hörst es jetzt nicht mehr?
In Italien gab es einen Haufen politischer Liedermacher, die wir alle auswendig konnten, nicht nur das großartige „Io se fossi dio“ von Giorgio Gaber, auch die ganzen anderen. Italiener singen nämlich alle.

Und weiter gehts, das macht einen Riesenspass, weil man merkt, wieviel Musik so in einem steckt. Ich schickes zu Agnesz, und zu p, zum Kid, weil da immer soviel Musik drin ist, im Café.

Außerdem neugierig bin ich auf die Mucke von mediumflow und von Huflaikhan, weiß aber nicht, ob die mich lesen.

...

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Mama, was ist das, es ist ein Baum ohne Blätter, außer oben und unten, da hat er gaaaanz lange. Er wächst hier nicht, der ist schon tot. Nein, NICHT gucken!

Wird Frühling in Berlin, wenn die Leut ausmisten. Sücher.

Nicht ihr!!!! Die anderen!!!

Es gibt allgemeinmenschliche Konzepte, die man sich immer wieder neu erklären muss.

Heute früh, nachdem ich den 5. Arbeitstag von 10 mit kranken Kindern zu Hause verbringe, plus ein Wochenende, da wird mir angetragen, doch auf meinen freien Abend zu verzichten. Weil der Vater sonst eins der Kinder zu einem Kindergeburtstag bringen müßte, je 45 Minuten Auto, und das würde ihm nämlich den ganzen Samstag versauen. Ich hab was vor, sage ich. Ob das wichtig sei, werde ich gefragt. Je nun. Das Wort Verantwortung fiel, und zwar aus dem Vatermund, weil er hätte halt immer so einen weiten Weg, und der Sohn wolle doch zu seinem Freund.

Das ist nämlich so: Den Frauen ist die Verantwortung angebaut, sie werden damit ausgeliefert, und sie tragen sie nach ein paar Lebensjahrzehnten dann mit so federleichter Gazie, dass es gar nicht mehr auffällt. Auch für nicht so nahe liegendes, für die Affären ihrer Männer, fürs Kinderkriegen (Du wolltest die Kinder doch, im Ernst habe ich das von ausgewachsenen Exemplaren schon mal gehört), für Trennungen sowieso und immer, fürs Kinderglück ganz selbstverständlich.

Und weil man dann als Frau also die ganze Verantwortung sowieso schon trägt, will der Mann uns dann mit Entscheidungsmacht gar nicht erst belasten. Er kann ja selber gar nichts entscheiden!
Er hat nur Pflichten, er ist voller Abbhängigkeiten, überall nur lauter höhere Gewalten, die sein Lebensglück und vor allem seine Zeiteinteilung am Entfalten hindern. Also: Klappe halten, das wär nett, Schätzchen. Er leidet nämlich, nein, nicht still vor sich hin, er leidet ja auch an der Situation, im Grunde.

(Wenn man dann bemerkt, dass diese armen Männer eigentlich zuviele Eigenschaften mit einem Waschlappen teilen, dann sollte man das für sich behalten, wg. ihrer Sensibilität.)

reality bites

Kinderverkleidungen im Kaufhof am Alex: BSR (Berliner Stadtreinigung), Postbote, Mann von der Sicherheit (Schwarzes Klamott mit Aufdruck "Sicherheit" hinten), Mann von der Security (Schwarzes Klamott mit Aufdruck "Security" hinten), Busfahrer mit BVG-Aufdruck. Man kann wählen zwischen diesen Traumberufen oder Harry Potter. Und hier haben wir noch das vollständige Ninja-Kostüm, das ist dann aber auch etwas teurer. Für Mädchen nur Prinzessin.

Und die ganzen Berlinberufe alle nur noch in Vorschulgrößen, die älteren Kinder haben den Rest schon aufgekauft. Muss darüber nachdenken, ob da wagemutige Akademikermütter hinterstehen, die ihren Kindern was Ausgefallenes gönnen wollen. Oder kartoffelige Realistenmütter mit dem früh-übt-sich-Tick. Will man so genau nicht wissen.

(Andrerseits hatte ich kein Mitspracherecht bei meinen: Vampir, Elefant, Zirkusdirektor.)

meta-mööp

Grad genervt von der Bloggerei. Ist wie andauernde Selbstgespräche, man kommt sich irnwie komisch vor dabei. Und wenn man grade mal wieder seit 4 Tagen ununterbrochen bequatscht wird, Penicillin + Kinderherzen ergibt die aberwitzigsten Logorrhöen, dann fühlen sich diese Monologe besonders strange an, wie singen in der UBahn. Und es sind täglich im Schnitt 49 (sitemeter) Leute, womöglich lachen die sich alle schlapp! Oder sie reden auch die ganze Zeit vor sich hin dabei. Heut gedacht, es sind nochmal 49 Kinder, es hören mir wahrscheinlich überhaupt immer nur Kinder zu, im Hintergund stehen die Mütter und sagen ab und zu: mach-den-Rechner-aus, es gibt jetzt essen. Na gut, bov liest auch mit.

Oder mal ein paar Tage lang einen Zähler mit Bildern, dass man die Leser mal zu sehen kriegt. Ich finde den Gedanken ja eher beruhigend, dass die immer nur versehentlich reinzappen und gleich wieder weg sind.

Das schreib ich auf, weil es mein erster echter lowlevel-Meta-Bloggedanke war. So ein was tue ich hier bloss, wo genau bin ich, hat jemand einen Stadtplan dabei – Dingens. Tangotanzen, meinen letzten echten Trip, hab ich immerhin 4 Jahre durchgehalten, 4 mal pro Woche, gelernt bei Udo Hartmann († 1.5.2002 in einer Tangonacht im Bebop, glaub ich, absolut unvergessen) im großartigen Bailongo, dessen Bardame ich dann auch oft war, aber beim Tango kommt halt auch mehr zurück, gut, is auch teurer.

(Ach, und genau: beim Tango half tanzen, tanzen und nochmal tanzen. Es war eine l'art pour l'art- Geschichte am Ende. Hätt ich jetzt fast vergessen.)

(das gefährliche Erdgeschoss)

Gestern bei Ikea von allen fast-Käufen nur einen nicht vergessen (ein Satz nach 2 Himbeermarlemaldentoasts): Da stand paar Meter ab vom Schuss eine große weiße Vase, die mich in ihrer Schneeweiße ansprang und all das Bunte drumrum einfach weggesaugt hat. Ich vollkommen betört von ihrer Nutzlosigkeit, da sie zur Zierde von oben bis unten durchlöchert war. Die 29€ rauf und runter buchstabiert, wir gehörten zusammen, sie war rund, wo ich es auch bin, sie war weiß, wo bei mir alles bunt ist. Schweren Herzens verzichtet.
Abends mit Freundin Bellissima geguckt und Whisky leergemacht, immernoch davon überzeugt, dass diese eine Vase meine gesamte Wohnungseinrichtung revolutioniert hätte, sie hätte still in einer Ecke stehen können und ihre weiße Sinnfreiheit hätte in Wellen mein Lebensgefühl erschüttert und kathartisch bereinigt. Stelle mir weiterhin vor, sie wird von einer der ihre ausziehenden Töchter begleitenden Mamas gekauft und die dummen Dinger stellen Teelichter hinein, damit man das Lochmuster besser sehen kann. Außerdem den Kindern erlaubt, Eieruhren für 1,49 mitzunehmen, die dummerweise immer noch nicht kaputt sind. Auch nicht gekauft: Kuhfellkissenbezüge, ebenfalls knapp, sie lagen 100m lang im Wagen und haben ihn dann bei den Teppichen wieder verlassen müssen.

...

Ich gerade am Telefon: ich fahre nach Ikea, oh diese Zeiten.

(Weil nämlich ALLE Kinder krank sind, und weil Ikea nur Kindern Spass macht. Braucht jemand was? kicher, so Randblogs haben Vorteile)

...

Ich begleite Sie betrunken auf gesellschaftliche Ereignisse. Mathias Hoch. Oder KH Kähne. Beide gerade hier

...

Das Ornamentale mögen, weil die Ordnung da nicht nur inhärent ist, das ästhetisierende darin aber schon als etwas over the top empfinden. Weil es vom Urteil befreit, vom differenzieren, weil es glattmäht, weil es den Reichtum an Dimensions auf eine eindampft. Weil man nur noch zu einem Aspekt Stellung beziehen darf so als Guckerin, nämlich der Existenzberechtigung dieser Art Kunst. Substantivismus, das schafft sie. Wohl etwas nicht verstanden haben. Infinitiv als Sonnenbrille, genau. In der Ausstellung nur noch geärgert, weil der Fotograf parasitär am Genie des Architekten klebt, als ob die blosse Behauptung schon Kunst wäre. Man will keinen Sex mit so Reproduktionskünstlern, wenn Sie verstehen.

Naja, der hat Objekte draus gemacht. Aus den Häusern. Weil doch die Welt immer mehr Struktur, sagt die Ku.-historikerin, ach Kind, wenn du wüßtest, damit kommst du nicht weit.

Funktioniert nur als Meditationsform, sowas.

Nachher in der U-Bahn die ganze Zeit ein Eigenleben vortäuschen, so nebenher, und dabei Purcell hören.

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Sich freuen, wenn man den Künstler, den man vor Jahren gekauft hat, auf einer Vernissage trifft und er alle kennt. Ich kann halt nicht ohne Netz.

danebenleben

Was alles möglich ist in Berlin: sechs von neun Gästen verschwinden nach dem ersten Gang und lassen die Köchin und Gastgeberin mit dem Hauptgang im Ofen zurück. Denn es ist soweit nach Kreuzberg, und der eine hatte ein Auto, und die andern hatten noch ne Party, Berlinale, was wichtiges, was W-w-w-wichtiges. Geschwätz und Gelächter. In Italien hat man nach solchen Abgängen nicht mehr soviele Chancen auf Neueinladungen, aber hey, alles easy. Il cafonesimo werden wir das nennen, die neue Selbstverständlichkeit. Nimm was du willst, guck nett, stay in touch with your Bauchnabel, Rest egal.

...

Der Pragmatismus ist das Meer in uns, ha, ha, ha. Ich fahre mein Auto aus dem Supermarkt, voll mit Milch und Honig. Und hinten ist der Zusatzsitz wieder eingebaut, mit einem Kindersitz drin, für das Kind der Freundin meines Exmannes, mit dem ich mir mein Auto noch teile, natürlich. Was macht uns das? Müde macht uns das. Alle beide, das Muttertier und die Vorstadtxena, die wir noch hinten im Schrank hinter den Schachteln mit den Briefen und Stöckelschuhen haben. Dann fällt uns aber ein, dass die Feierei eine Standpunktfrage ist (der echte Valentin wurde hingerichtet, sagte eine Radionudelstimme im Supermarkt), und wenn der Standpunkt mal kurz wackeln sollte, hilft Klarsicht. Zack, erledigt, alles bessser. Sunshine.

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HINGEHEN! Berlinale bringt Musik

Annette hatte von einem ihrer Musiker einen Tip bekommen: Konzert um elf in der Torstrasse hundertelf, nix genaues weiß man nicht, egal, machen wir. Bestimmt das Burger, oder sowas, die sind da doch alle. Aber es ist ein leerstehendes Haus, und ich denke OH Nein, nicht noch eine Nacht unter Menschen, die alterstechnisch meinen Söhnen näher sind als mir. Das Treppenhaus ohne Geländer weckt weitere Erinerungen, jaja, Hausbesetzer, Clubs, alte Zeiten. Wir klettern nach oben.

Aber im 4 Stock erwartet uns dann unter anderem eine schweizerische Großfamilie mit Kindern und Freunden, unterschiedliche bildschöne Frauen, alle in unserem (fast 35 bis 45) Alter, Männer mit Hut, die Leute eher besonders, ausgefallen gekleidet, alle sehr entspannt, man kennt sich, es sind vielleicht 25 Leute. Das Publikum macht neugierig, kein Clubpublikum. Es ist 23.00, wir sind pünktlich. Eine leerstehende Wohnung, geheizt, niedrige Decken, eine Theke eingebaut. Stühle.

Nach einer Weile habe ich entdeckt, dass die vermeintliche Installation die Instrumente sind: Holzschrankartiges, in Brusthöhe, mit darüber gelegten ausgeschalten Brettern. Selfmade, funktional aussehend, raumfüllend, verschieden hoch, jeder Schrank vielleicht anderthalb Meter breit. Und Luftballons, mit denen die Kinder spielen.

Wir warten. Der Barkeeper und Veranstalter ist so mager, das seine Augenklappe nicht richtig hält. 1 Bier, 1 Wein: 4 Euro. Wir rücken näher an die bullernden Kohleöfen und sind ganz zufrieden.

0.20: Die Musiker! Eine Frau, zwei Männer. Mir unbekannte Gesichter. Der eine beginnt die unter der niedrigen Decke klebenden Luftballons ein Stück herunterzuziehen und wieder loszulassen, das Publikum lacht und muss still werden: man hört die Ballons dieses sehr zierliche, äh, dieses Gummigeräusch machen. Dann beginnt etwas, leise mit Händen, Ballen, Fingerspitzen, es hört sich sofort nach 8 Händen an und nicht nach vieren, die sich da unterhalten. Wir sind alle wieder hellwach: das sind richtig, richtig gute Leute davorne, keine Nach-Feierabend-Combo, man merkt es nach den ersten paar Takten. Das sind Musiker. Die haben was vor. Der Trompeter kommt dazu, er schafft es gleichzeitig zu rauchen und zu spielen, die drei kommentieren sich: Es ist kein Jazz (Der Trompeter unterbricht sich einmal nach einem Anfang oh, that was jazz und beginnt etwas anderes), es ist sehr modern, oh give me a language for music, ein Gespräch, es sind komplizierte dichte Spielereien von Menschen, die eine ungeheure Bandbreite an Möglichkeiten haben, und die schnell genug sind für diese Bandbreite. Manchmal minutelanges sich hineinatmen in ein Thema, ein Motiv (Motive auf dem Schlagzeug, da erinnert sich der Körper nachher besser dran als das Hirn, sowas), die Musiker sind dabei ganz vergnügt ineinander vertieft, dann plötzlich wird es brillant, schnell, komplex treffend. Alles Improvisationen, und jedes Stück hat ein sehr genaues, schlafwandlerisch sicheres Ende, bei dem das Publikum immer erstmal lachen muss, weil es so überraschend abgesprochen wirkt. (Beim letzten Stück entwickelt sich ein lustiger Dialog zwischen einer Art kleinem Bandoneon und einer Nasenflöte, der aber insgesamt sehr gerechtfertigt wirkte. Versucht mal, souverän auf einer Nasenflöe zu spielen.)

Wir drei Ahnungslosen sind alle völlig baff. Ich bitte einen der Menschen mit Aufnahmegeräten im Raum, mir die Namen der Musiker aufzuschreiben, und alles, alles wird klar. Es sind Weltklassemusiker in diesem Abrisshaus versammelt, und jetzt kommt die gute Nachricht: sie werden noch ein paar weitere Nächte dort sein. Während der Berlinale. Es kostet nichts, es ist großartig und im vierten Stock, geht hin. Unbedingt.


Zu hören sind: Joey Baron (ja, der von u.a. Bill Frisell) und die ebenfalls grossartige Robin Schulkowsky an den Percussionschränken. Gestern war noch Michael Gross an der Trompete dabei, heute soll Bob Rutman, der mit dem Steel Cello kommen.

Torstrasse 111, schätzungsweise wieder nach 23.00

(Memorabilia, die Kleinigkeiten)

Let the glass run its round
And each good fellow keep his ground
And if there be any flincher found
We'll have his soul new coin'd

CIMG2501

Flügeltüren. So manchmal zwischendrin mach ich sie auf, gucke durch, dazu sind sie ja da, nicht um Sessel durchzubekommen oder Betten oder mehrere dicke Menschen, ein Weitblick in Sicherheit, ein Durchgang mit Aussicht. Dazu Purcell, oder? Und Cidre.

...

manchmal Zeitblasen, die ohne Gegenwart auskommen

...

gerade Georgie Clooney sooo nah gewesen. 2 Meter. Davor auf einem Podiumsgespräch zwischen Kinogrößen, Jürgen Vogel charmant, schlagfertig und ganz klar einer von den Guten, dann 3 auch Wichtige, dann Florian Koerner, ein Produzent als Kulturverteidiger und Liebhaber kleiner lauschiger Kinosääle, im Saal sonst nur Journalisten und ich. Ich fand das nett, weil ich kenn Herrn Vogel auf Lächel-Basis aus meiner Gegend und Herrn Koerner von einem Essen, und das erinnert mich an das alte glückliche Berlin (fast hätt ich kursiv, aber ich will mich weiterentwickeln) im Sinn von man trifft sich! und nicht im Sinn von man sieht sich. Ich Unschuld wollte danach zur Berlinale und hatte 25 Schlangeminuten, um mir aus dem Programmheft irgendwas auszusuchen. Murder and Murder war noch zu haben, ein Teddyfilm, aber nach Clooney war mir mehr Hetero. Also endlich Matchpoint. SO gelangweilt, scheiß Upperclass, man erträgt sie keine 10 Minuten, nicht mal im Film.

Und ich weiß jetzt, das die alle nur im Zitat kreischen, sie stellen sich hin, halten die Knipse über den Kopf, grinsen ihre Begleitung an, und dann gehts in den Diskant. Eine schrie: George! My mother loves you!

...

Mangel an Input schafft Landschaften Leidenschaften.

...

Der Moment im Taxi, wo man nach stundenlangem kohärentem Gespräch trotz Martinis (Altes Europa, Gipsstr., der Barmensch kennt sich aus) und Bieren und mit allem möglichen geschwängerten Filmen den Faden komplett verliert, als der Taxifahrer von seinem Lebenstraum erzählt: der Suite auf der Queen Mary, 60.000 €, mit Kaviar.

...

Ist gut jetzt mit Kälte. Man will einen Flammenwerfer für den Spaziergang, und vor allem will man begreifen, was los ist mit der Zeit, die ein Kältegott einfach ausgeschaltet hat. Winter IST, Punkt, da wird nichts mehr. Es herrscht Dauerfrost seit 7 Wochen, aber ich weiß, dass es Jahre waren, ich merke jedes davon, jedes Kältejahr ein Kältefältchen, in meinem Alter kriegt man Falten und keine Depressionen, und man weiß ja, was mit denen dann ist: sie bleiben.

(Anm.: In einem Blog hab ich neulich einen sehr schönen Text gelesen über einen Engel, der erstmal wegfliegt. Weiß nicht mehr wo, hilft mir jemand, den wiederzufinden?)
(Den Text)

...

Die Tage sind zu kurz, Tage auf Stummelfüßchen, die hektisch herumwackeln, wo man sie lieber elegant schreitend hätte. Sie kommen allesamt nicht gut genug um die Ecken.

...

Die Blinden und der Einäugige: in der Kneipe 3 beleibte Männer ohne Haare und ein sportiver mit Prinz-Eisenherz-Frisur in blondiert.

(alte Männer)

Naturgemäß kommt viel zuwenig von der Welt hier an, aus Prioritätengründen. Aber heut früh in der SZ online ein Interviewbericht mit dem Herrn Enzensberger, der macht mir klar, WIE weit ich vom Weltgeschehen entfernt bin, ich scheine ganze Jahrgänge Hysterisierung verpasst zu haben. Er würde nicht kapitulieren, sagt er uns, die Mehrheit im Westen denkt nicht im Traum an Kapitulation. Jetzt den Eindruck, der Welt gänge es allgemein besser ohne diese ganzen alten Männer, die noch mal auf den Putz hauen müssen. Maleducati, sagt die italienische Mama in mir, eine Entschuldigung darf nicht so viel kosten, und danach hält man die Fresse, bis der Staub wieder liegt. (Bild von H.-M. Enzensberger als trauriger Ritter, der nochmal auf die Bühne will, auch wenn das Publikum schon pöbelt, auf seinem alten Steckenpferdchen).

edit: Link geht nicht. Hier ist das Textchen:
Hans-Magnus Enzensberger sieht keinen Grund zu einer Entschuldigung an Muslime für die umstrittenen Mohammed-Karikaturen

In der dänischen Zeitung «Information» sagte Enzensberger: «Man kann Einwände gegen die Zeichnungen haben, weil sie geschmacklos sind. Wenn es aber zu Bombendrohungen und Ähnlichem kommt, gibt es nichts zu verhandeln.» Er meinte weiter: «Warum sich entschuldigen? Möglicherweise werden einige kapitulieren. Aber die Mehrheit im Westen denkt nicht im Traum an Kapitulation. Wir haben keine Tendenzen zum Selbstmord. Sollte ich als Autor nachgeben? Niemals.»

Mit den Protesten in islamischen Ländern sei das Gegenteil des Gewünschten erreicht worden, sagte Enzensberger und meinte weiter: «Die Proteste sind dumm, kontraproduktiv und deuten auf eine geringe Intelligenz. Der Realitätssinn der Protestierenden scheint wenig ausgeprägt zu sein.» Er sagte weiter: «Die Ironie liegt darin, dass die Protestierenden nichts von der Logik der Medien verstanden haben. Wer kannte denn die kleine Tageszeitung Jyllands-Posten vor dem Ganzen? Jetzt ist sie berühmt, und die Zeichnungen mit Mohammed werden über die gesamte Welt verbreitet.»
"

...

Das Hotel braucht einen neuen Rechner, weil der alte voll ist. Soll ich jetzt einen nietnagelneuen Intel- iMac oder einen nur nagelneuen Apple- iMac kaufen? Wie soll man sowas entscheiden, wenn das eigene Leben schon halb rum ist und man also nicht mehr endlos überlegen darf. Und die Geschwindigkeit! Die Hotelchefin als mäandernde Lebensform ist mit Geschwindigkeit nie wirklich weit gekommen, aber etwas zu besitzen, was alles schneller als alle kann, dann wäre die Geschwindigkeit zumindest im Hause untergebracht, in greifbarer Nähe. Obwohl man das ja nicht sehen kann, dass es Dinge schneller macht, weil es macht ja überhaupt erst noch wenige Dinge, Office zum Beispiel noch nicht, Studio Pro auch noch nicht, man muss es also einstweilen glauben, und dann kann ich ja auch gleich daran glauben, dass der Hotelrechner wieder rank, schlank und schnell wird.

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