Sonntag, 10. April 2005

Die Möglichkeit

Zwei Stimmen, mit Jeroen Willems, von Johan Simons. Vielleicht, wahrscheinlich werde ich mich an das Stück anders erinnern, weil es so textgewaltig daherkommt und der Text schneller verloren geht als die Darstellung. Willems hat eine grossartige Präsenz auf allen drei verfügbaren Ebenen, ist vollkommen authentisch im Text, im Körper und im Kommentar zu beidem. Diese unterschiedlichen Stimmen laufen mühelos neben- und gegeneinander, aber immer wird das richtige akzentuiert oder übertrieben, es gelingt ihm, seinen Text durch den Körper blosszustellen oder ihm dieses diskrete Pathos zu verleihen, das Brillanz heutzutage im Hörer hervorruft (Sowas sentimentales: So klar war das alles mal, so schön waren Argumentationen, so endgültig konnte man urteilen). Das Stück beginnnt mit dieser Klarheit, die Pasolini in seinen TV-Interviews an den Tag legte, von Willems genau dieser Beiläufigigkeit dargestellt. Nach den Pasolini-Passagen springt Willems zu einer grandiosen Berlusconi-Darstellung und der traurigen Geschichte einees Intellektuellen, der vergeblich versucht, sich beim Teufel heilig zu kaufen. Die anderthalb Stunden vergehen vollkommenn unbemerkt, ich würde den Text gern nachlesen, also in dieser Zusammenstellung mit den Auszügen aus Reden des Ex-Vorstands von Shell. Der Regisseur sagt uns nachher, dass es den Text nicht zu kaufen gibt, vielleicht weiß jemand, wo man besonders die Dialoge des Intellektuellen mit dem Teufel herkriegen kann. Ich bin furchtbar vergesslich.

Es ist ein wirklich besonderes Stück. Die Volksbühne wollte noch anlegen und hat anschließend noch eine Lesung/Performance mit ua Chris Nietvelt veranstaltet, die als Condoleeza Rice noch einen Vortrag zur Lage der Dinge brachte. Wir sind dann gegangen nach dem Satz „ Ich habe Eier, mehr als die meisten im Saal“, denn genau dieses dumme Deklamieren ging nicht mehr, nachdem man bei „Zwei Stimmen“ immer dazu gebracht wurde, an den falschen Stellen zu lachen. Ich habe letztes Jahr von Simons auch Titus Fall of Rome gesehen, der überhaupt nicht funktioniert hat. Nach langem mal wieder ein großartiger Theaterabend, mit nichts als einem einzigen Schauspieler und seinem Text.

Auf dem Heimweg mit Don Giovanni im Ohr vergucke ich mich spontan in einen vielleicht fünfzigjährigen mit sehr langen Wimpern, den ich gerne so mit einer Überraschung verführen würde.

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