Freitag, 27. März 2009

...

den ganzen abend treibt der subtext erfolg/glück ganz knapp unter der oberfläche, auf der wir so voll im saft stehend herumtanzen, etwas zu schnell, etwas zu laut. es werden geldfragen gestellt, wieviel? und namen oder karriereschritte fallen pausenlos in allen nebensätzen, ein nebensatzhagelschauer. verbeult gehe ich heim.

einen unbekannten angelogen an dem abend, der wissen wollte, wieviele leser mein blog hat. es hat nicht so viele, es hat ungefähr die hälfte, weiß auch nicht, es waren alle so erfolgreich da, und mir schwimmen periodisch immer die felle davon. (wie der mann vom erfolg eines lyrikerfreundes erzählt, er ist der erfolgreichste, komm her, will ich ihm sagen, denn ich mag ihn irgendwie, das ist doch nicht der grund, weswegen du den jetzt nennst, in einem small talk mit einer unbekannten, den smalltalk unterbrechen wollen um alles zu betrachten, jeden satz, jedes gefühl, jede erinnerung, und dann alles verstehen können von einem menschen, oder zumindest genug, um ihn wiederzuerkennen.)

so mit den jahren davon freikommen, vom erfolg/profit-denken, und dabei vergessen, warum man freikommen muss, also als sei es keine resignation, sondern die reine erkenntnis. scheiß zen immer.

ohne gesellschaftliche anerkennung will ich gut leben, im toten winkel, also allein und alleinerziehend mit geringem einkommen, jetzt und immer, mit kleinem ehrgeiz, mein ehrgeiz ist eher orchidee als unkraut, und einem unzeitgemäßen ruhebedürfnis, ein kontemplativer typ sein, der gerne mal ein paar stunden lang steine anguckt.

bleibt mir weg mit euren karrieren, ich versteh die gar nicht, mir werden sogar normale szeneleute schon unangenehm in ihrem herumvibrieren, wie in einem 3d-film, wenn man die brille vergessen hat, noch ein projekt und noch ein projekt, wo mir ein montale-text (oder einer von monika rinck, die ist wirklich wirklich gut) genügt für ein paar tage. aber ich komme mir sehr sehr komisch vor dabei, so als wäre es zeit, an den lago zu ziehen und mit den alten kumpels abends einen aperitiv zu nehmen und über nichts zu reden, als wäre ich im argen und nicht die welt,

weil weil

(herrje, oder doch einfach mal wieder 'n mann?)

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kid37 - 27. März, 13:42

(So einer erdet natürlich auch. Oder beflügelt, je nachdem ;-))

Man muß da wohl aufpassen, sich nicht zu sehr in das Heißgebläse zu stellen, nicht mitverwirbeln zu lassen hinein in all die Schwurbeligkeit. Mir hilft ein wenig das, nun ja, Alter, alles etwas nüchterner zu sehen, mich nicht mehr so beeindrucken zu lassen, nicht in diese Hetze und das Ringen um "was" einzusteigen. Denn die können Fragen nach den Klicks beantworten (wenn die denn stimmen, ich sage ja immer angesichts meiner drei bis fünf Leser, es seien aber die richtigen!), aber oft eben nicht die nach dem "was". Aber nun gehörte ich noch nie zu den shiny, happy people.

Casino - 27. März, 16:58

heißgebläse, sehr schön. sie haben recht mit dem alter, aber die hatten unser alter gestern, zumindest die beiden mit den karrieren. ein teil von mir will dann immer auch noch karriere machen, erfolg haben, angeben können, den teil vergisst man so im alltag, bis er dann plötzlich nach vorne kommt und komische sachen erzählt.
kittykoma - 27. März, 14:13

das ist, glaube ich jedenfalls, auch ein altersding. die da das heißluftgebläse anstellen, rennen gerade hinter jedem zug her, der sie vielleicht aufspringen läßt. die wissen noch nicht, was sie können und wollen.
wer ewig so agiert, hat einen schaden, der kann nichts bewahren und ist nicht in der lage, aus erfahrung gut zu werden.
sardinien - ich stand da mit dem gastgeber auf der scholle. er an der spitzhacke und ich an der handhacke. ein internationaler vertriebsprofi und eine medienmenschenhändlerin und wir haben uns angesehen und gesagt: eigentlich brauchen wir den scheiß nicht mehr. wenn es hier in 5 jahren ordentliche oliven und einen guten gemüsegarten gibt, reicht das.
und ein mann ist schon nicht verkehrt. entspannt und erdet. muß ja nicht das traumexemplar sein. kann ja ein gebrauchter mit ein paar macken, aber getesteter zuverlässigkeit sein...

Casino - 27. März, 19:13

mein altersding ist gelegentlich der abgefahrene zug, gestern hab ich dann von meinen kindern erzählt, als müsste ich mich verteidigen. klar ist jetzt schon alles wieder gut, aber es gibt den dummen moment, wo sie mich erwischen mit der rennerei und der agitation. der ärgert mich.

das kulturleben ist ein hartes pflaster, ich bewundere die leut ja auch, die gut oder hungrig genug sind dafür, aber ich war früher souveräner und unbekümmerter, was meinen platz im zeitraumkont. angeht. jetzt, wo die meisten freunde und leute einen platz gefunden haben, und so weiter. (und sogar auf den schollen in sardinien ist alles voller internationaler vertriebsprofis ... :-)
kittykoma - 27. März, 19:38

:)
hab nach einer formulierung gesucht.
slowtiger (Gast) - 27. März, 21:51

Ach, und abermals ach. Ich plane ja grad meine Karriere, ganz ernsthaft, so, wie ich es angeblich vor 30 Jahren hätte tun sollen, und es wird heute genausowenig draus werden wie damals. Ich versuche, es nicht als Fehler einzuordnen, daß ich damals schon in wichtig und unwichtig eingeteilt habe, was allen anderen klares Ziel schien, und bin immer noch froh, deswegen viele Fehler nicht gemacht zu haben (es bleiben noch genug Fehler übrig, vor allem war ich damals so entsetzlich dumm!). Mit dieser Gelassenheit, da geht vieles sehr gut, aber manches überhaupt nicht, nämlich eben das Durchbeißen und das Behaupten und das Sichselbstsounheimlichtollfinden.

Casino - 28. März, 10:15

oder du wartest noch 20 jahre mit der karriere, dann kannst du als agiler senior eine vorreiterrolle übernehmen?
und dumme fehler, na, ohne fehler wärst du vielleicht in der versicherungsbranche oder so gelandet und würdest nur sonnenuntergänge auf mallorca fotografieren.
ansonsten: ja, so ist das. da helfen freunde und sone gewisse elastizität im selbstwertgefühl, hey, harte arbeit ist das alles.
gerd (Gast) - 30. März, 11:34

Und wieder siebzehndreissing Leben gerettet mit so einem Text.

Dankeschön.

Casino - 30. März, 18:30

nicht dafür!

(jetzt fast reinen herzens danke, sweetheart geschrieben, denn diese postings sind ja nachher grenzwertig doch bisschen peinlich)
gerd (Gast) - 31. März, 12:07

Nein, diese postings sind nachher nicht grenzwertig peinlich.

Nicht.

Haha, Capcha diesmal: "laiff"

Claudia (Gast) - 2. April, 11:00

Ehrlich gesagt glaube ich auch, es ist eine Alterssache. Früher war ich stolz drauf, keine Karriere gemacht zu haben, heute find ichs doof und versuche, zu retten, was zu retten ist. (ob allerdings Bloggen der Weg zur Karriere ist, muss sich noch rausstellen...)

Casino - 2. April, 17:08

das schöne am karrieremangel ist ja das zeitplus, über das man dann verfügen kann, zeit zum bloggen, zeit für kinder, all sowas. professionell bloggen ist ziemlich schwierig, glaube ich, es sei denn, man begnügt sich mit dem ruhm und will nicht auch noch das geld :)
Claudia (Gast) - 2. April, 20:46

Na, das wäre wirklich zu viel verlangt. Aber mal so´n bisschen Ruhm würd´s auch tun!:-)

Frau A. - 2. April, 23:40

die anderen sind alle so viel energetischer, klüger, kreativer, innovativer und so weiter und so weiter da gräbt man sich am besten gleich ein tiefes loch und springt rein und macht die augen zu. besonders beim bloggen. wie manche leute konstant content auswerfen können, ist mir ein rätsel.

karriere verstehe ich auch nicht. wer hat die bloß erfunden?

aber wieder mal ein mann, das wär schon was. man möchte ja nicht immer auf altbewährtes zurückgreifen müssen (zumindest gedanklich, sag ich jetzt mal).

Casino - 3. April, 13:27

oh my. war das ein warn- oder ein fangschuss?

falls nicht, der klassische sicherheitshinweis: das ist der falsche zug, in dem sie da sitzen! in löchern langweilt man sich schrecklich, auf die dauer, und sie sind schlecht für den teint! wobei so mit contentauswurf gefüllte bloglöcher ja auch ganz wohnlich... nee nee.
Modeste - 5. April, 22:38

Dieser stetig widerlegte Glaube, Glück und Erfolg seien irgendwie miteinander verbunden. Die meisten Leute machen doch Karrieren, weil ihnen nichts anderes eingefallen ist, die Tage zu füllen. Diese quälende, viel zu leere Zeit zwischen morgens und abends.

zonebattler - 6. April, 13:09

Das möchte ich...

...gern unterschreiben: Die meisten »Karrieremacher« in meinem eigenen beruflichen Umfeld haben sich bei näherer Abklopfung sehr schnell als reichlich phantasielos und als nicht im mindesten kreativ erwiesen! Die wüßten ohne Ihren tagfüllenden Job tatsächlich nix Rechtes mit sich und ihrer Zeit anzufangen. Zum Neid auf materiell Erfolgreiche besteht also meist kein Grund, (richtiger) Reichtum durch eigene Arbeit ist wohl nur gegen ein Auswechseln der eigenen Persönlichkeit zu haben. Kann man das wirklich wollen?
spalanzani (Gast) - 10. April, 11:11

Daß man keine Karriere machen will, scheint mir ziemlich ausgemacht, man muß die dann ja auch machen, das macht ja elend viel Ärger und man muß sich den Scheiß der unerträglichsten Leute anhören (jedenfalls hatte ich diesen Eindruck, als ich die Option Karriere vor einigen Jahren kurz geprüft habe.)

Nun ist Geld eine Sache, gegen die man nicht argumentieren kann, aber was die Anerkennung angeht, das ist einfach -- man muß sich immer gleich zum Freak stilisieren, wenn die Heißluftgebläse angeworfen werden, dann hat man Ruhe. Eine leicht psychopathisch wirkenden Aura von Marxismus zum Beispiel ist leicht zu produzieren und verunsichert Karrieristen nachhaltig. Katholizismus funktioniert fast genauso gut.

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