Donnerstag, 26. April 2007

...

Er hatte sich noch weiter zugezogen, der Ring um die Grundschule meiner Wahl. Die Greifenhagener Strasse hat einen interessanten längeren Teil und einen unklaren kurzen Zwickel, der sie auf den wunderschönen Gethsemaneplatz führt. Kurz nach Ende der Anmeldefrist lagen Gerüchte vor, dass schon die Nordseite des Platzes nicht mehr gehalten werden konnte, aber die vielen frisch im interessanten Stück polizeilich gemeldeten Familien wähnten sich auf der sicheren Seite, ihre Dreistigkeit schön verpackt in Pragmatismus. Im weiteren Umfeld der Schule ging die Sicherheit dann aber schnell verloren. Wir wussten, dass der Gegner die inneren Grenzen jederzeit spontan verschieben kann und darüber keinerlei Rechenschaft ablegen muss, und keiner von uns hatte mehr als eine Ahnung über den Verlauf der Linie. Wir aber gehörten in dieser Phase noch zu den Altvorderen, hatten bereits ein Kind auf der Schule untergebracht und setzten all unsere Hoffnung in das Prinzip Geschwisterregelung, dass uns und unseren Kindern den Kampf ersparen sollte.

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paula (Gast) - 26. April, 23:20

Hat es dich auch getroffen mit der Ablehnung trotz Einzugsgebiet?

Casino - 27. April, 10:09

Ja, natürlich. Das Schulamt vertritt die Meinung, dass man wunderbar seine Kinder an zwei verschiedene Schulen begleiten kann morgens, auch wenn die in entgegengesetzter Richung liegen. Es hält den gefährlichen Schulweg zur gesetzlich zugewiesenen Schule für eine nette Herausforderung für Schulanfänger, und es ist nicht der Meinung, dass familiäre Bindungen irgendeine Relevanz haben könnten. Es geht darin vollkommen konform mit der tatsächlichen Schulpolitik Berlins, die ja weder für gute Ausstattungen noch für die soziale Integrität der Kinder Sorge tragen möchte, und in der die speziellen Probleme Alleinerziehender selbstverständlich wenig interessieren.

Das Schulamt hat sich recht elegant aus der Affäre gezogen, es hat nämlich per Losverfahren über die zugelassenen Kinder entschieden. Das ist insofern demokratisch, als die Probleme und Ungerechtigkeiten damit alle auf gleiche Weise, nämlich gar nicht, zur Kenntnis genommen wurden.

Hey, aber hier ist nix entschieden, es werden Allianzen geschmiedet, Anwälte ausgewählt, momentan gibt es eine unangenehme Neigung, die Falschanmeldungen zu denunzieren, weil das Schulamt einem diese Möglichkeit netterweise gelassen hat: wenn man belegen kann, dass sich jemand einen Platz erschlichen hat, dann wird man belohnt. Es ist ja ein guter alter Trick, die Feinde sich selber untereinander zerreiben zu lassen, dann hat man nämlich noch weniger Arbeit, es ist im Grunde eine bemerkenswert effiziente Bürokratie da im Gange.
Casino - 27. April, 10:13

wobei, halt, es hat mich getroffen, aber wir sind nicht mehr im einzugsgebiet. hatte mich nämlich nicht ummelden wollen.
Frau Schnatterliese - 27. April, 18:15

jetzt mal weg von persönlichen vorlieben, eltern von schulamtsseite zuzumuten, und das vollkommen normal zu finden, ihre diversen (das wird ja grad so angepriesen) kinder in zwei oder gar mehr schulen zu transportieren und zwar morgens hin und nach der schule zurück ist eine unverfrorenheit, die mich jetzt mal sprachlos macht.
Casino - 27. April, 18:23

ja, stell dir ein portemonnaie mit großen scheuklappen vor, dann hast das schulamt vor augen, da ist einfach kein platz für verstand, pädagogik oder gar familiensinn. es ist total zum kotzen, aber genau das ist die tatsächliche familienpolitik des landes.
arboretum - 27. April, 16:51

Als ich neulich davon in der Zeitung las, habe ich mich gefragt, ob das Schulamt etwa nicht die Geburtenzahlen der jeweiligen Bezirke kennt. Ist ja nicht so, dass man in sechs Jahren einiges vorbereiten könnte, rechtzeitig Parallelklassen einrichten, zum Beispiel. Oder sind die Schulgebäude im Prenzlauer Berg alle so klein, dass die nur vier Klassenräume haben?

Aber wahrscheinlich muss man sich über diesen Unsinn gar nicht weiter wundern, sie verteilen jetzt ja auch die Mittel für die Zusatzstunden Deutsch als Zweitsprache nach dem Gießkannenprinzip, so dass die Schulen, wo viele Migrantenkinder es nötig hätten, die entsprechenden Lehrer abgeben müssen. Vielleicht sollen diese Schüler ja nun von den deutschen Kindern, die von ihren Wahlschulen abgewiesen und an die Kreuzberger Schulen verwiesen wurden, Deutsch lernen.

Casino - 27. April, 17:56

Das Schulamt denkt ja nicht, es rechnet bloss. Vor 3 oder 4 Jahren, als alle diese Schulanfänger schon auf der Welt waren und im Viertel lebten, wurden in unmittelbarer Umgebung zwei Grundschulen geschlossen, weil die Stadt in der Wahlperiode eine vorübergehende Nichtvollauslastung hätte bezahlen müssen. Auf meiner Wahlschule sollen Container im Hof aufgestellt werden, wir warten jetzt auf eine Aktion mit Herrn Schlingensief.

Das mit den Deutschstunden ist garantiert genau so, wie Du es beschrieben hast, die Stadt muss ja sparen.
blogger.de:kittykoma - 3. Mai, 15:11

ach du sch...

bin ich froh, daß ich das alles überstanden habe. das kind ist 20 und nun gehts nur noch um die richtige uni nach dem ausgiebigen berufspraktikum.
ganz am rande: ich habe vor 14 jahren auch jede menge klimmzüge gemacht, das kind an einer besseren schule unterzubringen. fußläufiger als die andere, weniger kinder mit deutschproblemen, siegreich sogar... was soll man sagen - lesen, schreiben und rechnen hab ich ihr in den ferien beigebracht. dieser ganze montessoriorientierte quark war nichts für sie. die lehrerin war vielbeachtete fachberaterin, das hat mir nichts genutzt. hab immer gedacht, mein kind ist falsch, nicht der unterricht. manchmal hilft es, sachen auf sich zukommen zu lassen und dann zu handeln.

Casino - 3. Mai, 18:51

(hey, da hast du aber sehr jung, usw.) die ferien sind hier auch immer eingeplant, die pädagogischen theorien sind halt immer nur für einige kinder gut, der rest braucht eltern mit zeit und nerven. stückweit sind beide nicht richtig, halt nicht perfekt, und brauchen ständige beobachtung :).
blogger.de:kittykoma - 7. Mai, 22:16

für den westen war es früh, für den osten normal. da ich mit kind zunächst nur im westen oder in westlich überformten stadtbezirken gelebt habe, war ich immer nicht zuzuordnende exotin.
mit den friseurinnenmüttern oder briefzustellergattinnen konnte ich mich nicht recht unterhalten, die waren aber in meinem alter. von den verlegerinnen, höheren beamtinnen und arztgattinnen trennten mich jahre und damit wiederum auch lebenshaltungen...und natürlich auch finanzielle universen, als ich noch studierte.
nun muß ich mit meiner tochter koordinieren, wer wann nachts in welchem club auftaucht...

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