goncourt - 9. April, 17:56

Ich bin mir nicht sicher, ob es da nicht doch einen Generationenkonflikt auszutragen gab. Wenn ich das richtig interpretiere, gab es jedoch eine andere Verteilung von rechts und links auf die Generationen — da das Kriegsende auch mit der Resistenza verknüpft war. Es gab eine starke italienische Linke auch unter der Elterngeneration und einige nachhaltige Skandale, die zu generationenübergreifenden Solidarisierungen führten (siehe Pasolini). Gerade an Pasolini sehen Sie aber auch die tatsächlichen, auch nicht harmlosen Generationenkonflikte: einmal die, die er analysiert hatte ("Die KPI an die Jugend"), zum anderen seine eigene Verständnislosigkeit gegenüber den Jüngeren (Abtreibungsdebatte).
Dazu noch die unausgetragenen Konflikte: bis heute fällt es italienischen Jugendlichen schwerer, unverheiratet auszuziehen. Wobei man hier zwischen Nord und Süd natürlich trennen muss. Das, finde ich, ist schon ziemlich ambivalent.

Casino - 10. April, 12:59

timp furlan

Sorry für die späte Antwort, ich hab sooo lang geschlafen, herrlich, und dann erst mal den „La meglio gioventù“-Band von PPP gesucht, gerade bestimmt eine erstaunlich halbe Stunde lang. Ist weg.

Sie haben natürlich recht mit dem Konflikt, ich hab mich in der Vereinfachung unklar ausgedrückt. Ich hab mir meine Beobachtung eines anderen Umgangs mit Konflikten, im Film vor allem, aber auch im ital. Alltag so erklärt. Ich glaube aber nach wie vor, dass der politische Konflikt dort nicht so stark über die Generationenfrage ausgetragen wurde wie hier- Waren das nicht eher Kämpfe zwischen den unterschiedlichen Interessen der Gegner, also der Parteien, der Kirche, Studenten, Arbeiter? Die ja im Unterschied zur BRD alle beteiligt waren, Fiat wie die Universitäten oder die PCI. Es gab also auch einfach mehr Gegner als nur diejenigen, die in der Hierarchie direkt über einem standen, die Väter oder Profs. Und in der BRD hatte die Auseinandersetzung mit dem 2WK, und darüber die mit dem Schweigen der Väter, eine viel größere Notwendigkeit. In Italien gehörten dann halt alle der Resistenza an, ein mythischer Ort, und es hat dort nie eine vergleichbare Schuld-Debatte gegeben. Gut, die Schuld war nicht vergleichbar, aber es fehlt trotzdem was. In Rom, auf dem Piazzale del Foro Italico, steht immer noch ein ziemlich großer Hinkelstein mit der Aufschrift Mussolini Dux herum, es gibt genau wie Sie sagen bestimmt noch notwendige Konflikte (aber ich werde meine Söhne auch nicht vor die Tür setzen... ich versteh sie ja, die italienischen Mamas).
Der „KP an die Jugend-Text“ ist vielleicht auch eine Verteidigung des Älteren vor der Jugend, aber den meisten Stoff gibt Pasolini gegen die „figli di papà“, mit denen ihm keine Identifikation möglich scheint. Im Film setzt Giordano genau die beiden Gestalten aus dem Gedicht in dieselbe Familie: den Polizisten, dessen Freund schwer verletzt wird im Strassenkampf, und den Intellektuellen, der das Ganze als amüsantes Laufspiel betrachtet. Das mag nur so eine filmische Engführung sein, aber ich denke und habe auch persönlich erfahren, das der Abgrenzungsbedarf in Italy nicht so groß war, also das die politische Meinung nicht sofort eine moralische Wertung nach sich gezogen hat. Und der Gegensatz im Text zwischen Kleinbürger und Arbeiterkind wird von Giordano aufgehoben, der seine Figuren ins selbe familiäre Mittelstands-Umfeld steckt.
Der Film hat bestimmt auch was idealisierendes, auf das ich mit meinem Italien-Heimweh natürlich sofort anspringe. Ui, ist lang geworden, aber heut ist ja auch Sonntag.

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