Die Prozesse von Krankheit und Tod finden im Krankenhaus und zu Hause statt, oft auch im Straßenverkehr, manchmal sogar im Urlaub (Schweinegrippe) oder am Arbeitsplatz. Daß sie aus der Lebenswirklichkeit ausgeblendet wären, mglw. sogar Tabuthemen sind, vielleicht weil sich professionelles Personal um die unmittelbar Betroffenen kümmert, kann ich nicht bestätigen. Die Vorstellung vom trauten Familienkreis dagegen, in der anno dazumal gestorben wurde, weswegen Siechtum und Tod noch im allgemeinen Bewußtsein gewesen sein soll – im angeblichen Gegensatz zu heute – beruht doch auf einem nostalgischen Ammenmärchen, jedenfalls wenn damit ein positives Gegenbild zur Gegenwart gezeichnet werden soll. Vermutlich wurden bis ins vorletzte Jahrhundert hinein die Siechen vor die Stadttore gekarrt, wenn sie nicht zuhause in einer Ecke hinterm Vorhang vergammeln durften. Wer schwerkrank ist oder stirbt, strengt an und geht auf die Nerven und das war vermutlich auch früher schon so. Besonders souverän oder menschlich gelungen will mir dabei das "Aushalten" von anderer Leute Schmerz nicht grade vorkommen. Erstens macht das jeder andauernd und zweitens leuchtet mir nicht ein, wieso man über das unvermeidbare Minimum hinaus überhaupt etwas aushalten sollte – als wäre das Angebot an Zumutungen jeder Art irgendwie nicht groß genug. Vielleicht kriegt man ja sogar selber mal Krebs, da hat man dann was zum Aushalten. Oder eben auch nicht.
Der reale Todeskampf und -krampf ist doch notwendigerweise etwas gräßliches individuelles und zugleich allgemeines, das in der ein- oder anderen Form alle erwartet. Ich fände es ja erfreulich, wenn um diese Trivialität nicht so ein Gewese gemacht würde, schließlich ist jeder mal der einzige zum Tode verurteilte, während die anderen alle weiterleben dürfen, die Arschlöcher. Ich würde mich freuen, wenn einer von denen dann mein Händchen hält – hoffentlich muß der dann nicht soviel aushalten und ich hoffentlich gar nichts.
vielleicht bist du ein mann mit einsiedlerbegabung, der lieber in einem kloster mit guter brauerei sterben sollte - nee, aber wenn mir jemand liegt, dann halte ich sowas aus, ganz klar eine selbstverständlichkeit und keine zumutung, so man sein empathielevel irgendwie in den griff bekommt, weil ja vor dem aushalten meistens jede menge teilen und gewohnheit und nutznießen und geben/nehmen war, das ist doch das ziel von gemeinschaften. bisschen arbeit dürfen die schon machen. und außerhalb vom engeren kreis ist es ja nicht so, dass die leute schlange stehen zum leid abladen, nicht mal in der großstadt, das ist hin und wieder mal jemand, der das braucht.
wie das früher ausgesehen hat, mit vor-die-stadttore-karren oder nicht, keine ahnung. tod war trivialer und häufiger früher, aber die ritualistik hat das doch auch dann begleitet mit letzten ölungen, schmerz war unvermeidbar, ihn anzuhören sicher auch. die haben den schmerz der anderen bestimmt auch lieber ausgehalten als den eigenen, aber ne zumutung? es gab bestimmt ein beissholz und damit gut.
und so im kulturellen kontext, wenn dir schon das gewese um die todestrivialität auf die nerven geht, wie hältst du denn dann das getue um die liebe oder das geld aus? du kannst ja einen gewesefreien film über liebe und tod machen, wo alle immer nur "ja" oder "nein" oder "nun gut" sagen. ach nee, den gibts ja schon, eustache, oder? den kann ich mir dann erzählen lassen und muss ihn nicht angucken, das spart zeit, die hab ich dann für mein theater hier. ich mein, für gewese bleibt dann bloss gartenbau oder rechtssprechung, das ist doch auch nichts.
(kinder sind hochbegabte pathetiker übrigends, also heute in zeiten ohne schläge, hunger und kälte, bei denen ist alles immer total existentiell und tiefdurchlitten, da kann man das üben mit dem zumutungen aushalten.)
der theaterregisseur gosch, der macht richtiges theater, nicht nur so einen wilden (selbst)bildzirkus wie schlingensief, von dem heißt es in einem satz "von seiner schweren krebserkrankung gezeichnet", das ist natürlich viel erwachsener und höflicher. aber ich finds gut, dass einer auch mal brüllt, wenn was wehtut, mir fehlt das in d.
Herr pier, ich habe mal eine zeitlang in der Pathologie gearbeitet und erlebt, wie sehr das Thema Tod, der Anblick der Leiche tabuisiert, mit Ekel belegt und schlicht sehr oft "ausgeblendet" wurde. Angehörige, die Schwieirgkeiten hatten, sich den Verstorbenen noch einmal anzusehen. "Früher" wurden Verstorbene tatsächlich noch häufiger eine zeitlang zu Hause aufgebahrt, damit Freunde, Verwandte Abschied nehmen konnten. Ich höre davon heutuztage eher selten.
Erstens macht das jeder andauernd...
Ist das so? Mir scheint das Gegenteil der Fall.
...hoffentlich muß der dann nicht soviel aushalten und ich hoffentlich gar nichts.
Ich glaube, wir kommen dem Verständnis über das "Verdrängen" hier ein Stück näher.
Der reale Todeskampf und -krampf ist doch notwendigerweise etwas gräßliches individuelles und zugleich allgemeines, das in der ein- oder anderen Form alle erwartet. Ich fände es ja erfreulich, wenn um diese Trivialität nicht so ein Gewese gemacht würde, schließlich ist jeder mal der einzige zum Tode verurteilte, während die anderen alle weiterleben dürfen, die Arschlöcher. Ich würde mich freuen, wenn einer von denen dann mein Händchen hält – hoffentlich muß der dann nicht soviel aushalten und ich hoffentlich gar nichts.
vielleicht bist du ein mann mit einsiedlerbegabung, der lieber in einem kloster mit guter brauerei sterben sollte - nee, aber wenn mir jemand liegt, dann halte ich sowas aus, ganz klar eine selbstverständlichkeit und keine zumutung, so man sein empathielevel irgendwie in den griff bekommt, weil ja vor dem aushalten meistens jede menge teilen und gewohnheit und nutznießen und geben/nehmen war, das ist doch das ziel von gemeinschaften. bisschen arbeit dürfen die schon machen. und außerhalb vom engeren kreis ist es ja nicht so, dass die leute schlange stehen zum leid abladen, nicht mal in der großstadt, das ist hin und wieder mal jemand, der das braucht.
wie das früher ausgesehen hat, mit vor-die-stadttore-karren oder nicht, keine ahnung. tod war trivialer und häufiger früher, aber die ritualistik hat das doch auch dann begleitet mit letzten ölungen, schmerz war unvermeidbar, ihn anzuhören sicher auch. die haben den schmerz der anderen bestimmt auch lieber ausgehalten als den eigenen, aber ne zumutung? es gab bestimmt ein beissholz und damit gut.
und so im kulturellen kontext, wenn dir schon das gewese um die todestrivialität auf die nerven geht, wie hältst du denn dann das getue um die liebe oder das geld aus? du kannst ja einen gewesefreien film über liebe und tod machen, wo alle immer nur "ja" oder "nein" oder "nun gut" sagen. ach nee, den gibts ja schon, eustache, oder? den kann ich mir dann erzählen lassen und muss ihn nicht angucken, das spart zeit, die hab ich dann für mein theater hier. ich mein, für gewese bleibt dann bloss gartenbau oder rechtssprechung, das ist doch auch nichts.
(kinder sind hochbegabte pathetiker übrigends, also heute in zeiten ohne schläge, hunger und kälte, bei denen ist alles immer total existentiell und tiefdurchlitten, da kann man das üben mit dem zumutungen aushalten.)
Erstens macht das jeder andauernd...
Ist das so? Mir scheint das Gegenteil der Fall.
...hoffentlich muß der dann nicht soviel aushalten und ich hoffentlich gar nichts.
Ich glaube, wir kommen dem Verständnis über das "Verdrängen" hier ein Stück näher.