Vier
Gestern am Vater meines ersten Kindes vorbeigeradelt, den ich seit 18 Jahren nicht mehr gesehen habe, er stand neben seinem Rad auf dem Bürgersteig und ich weiß nicht, ob er mich gesehen hat. War kurz in Versuchung, anzuhalten, bin aber weitergefahren während der Versuchung. Was hätte ich ihm auch erzählen können, habe ich doch sogut wie alles vergessen von dieser Beziehung, die Details kommen nur nach Aufforderung, die Bilder müssen mühsam in Zusammenhang und Abläufe gebracht werden. Ich weiß nicht mal mehr genau, wie lang wir zusammen waren, aber solche Zeiten sind ja sowieso egal für die Intensität der wenigen Bilder, die noch da sind. Wir hatten viel Spass, das weiß ich noch. Hey, 22 ist nach der Pubertät und vor dem ganzen Rest.
Die Geschichte endete mit Sicherheit einige Wochen nach meinem Schwangerschaftsabbruch, und dieses Nicht- Kind hat einen ganz anderen Platz in meiner Erinnerung als der Vater dazu. Junge oder Mädchen? Er oder sie wäre jetzt fast volljährig und wird weiter mit mir altern, wie in einem Spiel, und diese Vorstellung von jemandem, den es ja nie gegeben hat, ist mir inzwischen sehr vertraut. Es ist keine Person geworden, hat kein Gesicht und keine Persönlichkeit, es hat eigentlich nichts außer diesem Schicksal, nicht gelebt zu haben, eine Blankofläche für Projektion, die ich nicht nutzen kann und leer mit mir herumtrage, ohne das sie besonders präsent ist oder stört.
Von Freunden hörte ich später, das mein damaliger Freund immer gegen Abtreibung gewesen wäre und dass Kinder Bestandteil seiner Lebensplanung waren, aber ich erinnere keinen Halbsatz des Widerspruchs gegen meine Entscheidung, dieses Kind nicht zu bekommen. Andererseits war das nichts, das man überhaupt gemeinsam besprechen musste, Kinder waren mit Anfang 20 eine fremde Spezies, nichts, das in meinen Bauch gehörte. Ich habe nur einen Satz gefunden in meiner Smemoranda (*) von 1988 nach dem Abbruch. „Es war ein Leben, es zu beenden heißt töten." – well, yes, aber es war so klein, es blieb abstrakt, es war keine schwierige Entscheidung, es gab keinen Platz für dieses Leben. Erst 10 Jahre später hab ich angefangen, über diesen besonderen Zellhaufen als Kind nachzudenken, auch die Trauer hat erst mit der Geburt meiner späteren Kinder begonnen, und die einzige visuelle Erinnerung an das abgetriebene Kind ist ein somewhat blinkendes Herzchen auf einem Monitor, aber wer weiß schon aus was diese Bilder sich alles zusammensetzen.
Inzwischen rechne ich diesen Fötus immer mit in die Reihe der Kinder, für die ich verantwortlich bin, ich zähle ihn einfach mit sozusagen, eins, zwei, drei und vier, das kommt glaube ich einer Art Gebet recht nahe. Ein Engel auf der Schulter.
Die Geschichte endete mit Sicherheit einige Wochen nach meinem Schwangerschaftsabbruch, und dieses Nicht- Kind hat einen ganz anderen Platz in meiner Erinnerung als der Vater dazu. Junge oder Mädchen? Er oder sie wäre jetzt fast volljährig und wird weiter mit mir altern, wie in einem Spiel, und diese Vorstellung von jemandem, den es ja nie gegeben hat, ist mir inzwischen sehr vertraut. Es ist keine Person geworden, hat kein Gesicht und keine Persönlichkeit, es hat eigentlich nichts außer diesem Schicksal, nicht gelebt zu haben, eine Blankofläche für Projektion, die ich nicht nutzen kann und leer mit mir herumtrage, ohne das sie besonders präsent ist oder stört.
Von Freunden hörte ich später, das mein damaliger Freund immer gegen Abtreibung gewesen wäre und dass Kinder Bestandteil seiner Lebensplanung waren, aber ich erinnere keinen Halbsatz des Widerspruchs gegen meine Entscheidung, dieses Kind nicht zu bekommen. Andererseits war das nichts, das man überhaupt gemeinsam besprechen musste, Kinder waren mit Anfang 20 eine fremde Spezies, nichts, das in meinen Bauch gehörte. Ich habe nur einen Satz gefunden in meiner Smemoranda (*) von 1988 nach dem Abbruch. „Es war ein Leben, es zu beenden heißt töten." – well, yes, aber es war so klein, es blieb abstrakt, es war keine schwierige Entscheidung, es gab keinen Platz für dieses Leben. Erst 10 Jahre später hab ich angefangen, über diesen besonderen Zellhaufen als Kind nachzudenken, auch die Trauer hat erst mit der Geburt meiner späteren Kinder begonnen, und die einzige visuelle Erinnerung an das abgetriebene Kind ist ein somewhat blinkendes Herzchen auf einem Monitor, aber wer weiß schon aus was diese Bilder sich alles zusammensetzen.
Inzwischen rechne ich diesen Fötus immer mit in die Reihe der Kinder, für die ich verantwortlich bin, ich zähle ihn einfach mit sozusagen, eins, zwei, drei und vier, das kommt glaube ich einer Art Gebet recht nahe. Ein Engel auf der Schulter.