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Mein Sohn D. auf die Frage, was er sich zu seinem 4. Geburtstag wünscht: Sankt Martins (=Smarties). Sein Bruder, der auch vier wird: Kleber.
Das ist schön, und ich weiß, das es bald anders wird.

50 Jahre zuhause

Ich verlasse mein Viertel nur noch selten. Es gibt alles, inclusive Theater und Käseladen, im allernächsten Umfeld, und bei jeder Besorgung trifft man Bekannte, von denen man alles weiß, soziale Isolation gleich null.

Sowieso werden die Partys seltener und sind dann zunehmend runde Geburtstage und nicht mehr einfache Feiern, weil die Nacht so lau und der Frühling so dringend ist.
Aber heute sollte es mal wieder sein. Meine Freundin und ich werfen uns also in Schale, obwohl wir auf der Party incl. Gastgeber überhaupt keinen kennen, aber so ein 50zigster in einer 250 m2 Wohnung in Schöneberg, das hörte sich nach sneakerfreier Zone an. Und ich muss meine ganzen schönen Klamotten aus seligen Tangotagen noch mal auftragen, bevor ich gar nicht mehr reinpasse.

Es sollte natürlich ganz anders kommen. Die Wohnung ist wie erwartet eine riesige Zimmerflucht, der Flur breit genug für einen Mittelklassewagen, aber es steht nichts drin. Keine Möbel, kaum persönliche Einrichtung. Es gibt ein paar Plakate aus den achtzigern, Matratzen, Kissen, und unterschiedliche Farben an den Wänden, ansonsten sind die fünfzig Lebensjahre des Bewohners unsichtbar. Kein Design, keine teuren Lampen, keine Monstersofas, sondern ein paar Fotos und Dinge an den Wänden: wir gucken auf Geschichten und nicht auf eine Karriere. A.’s Netzstrümpfe und meine hohen Schuhe sind fehl am Platz, wir sind fast nur umgeben von sehr, sehr alten T-Shirts über Hosen, die schon zum dritten Mal unmodern geworden sind, aber es ist völlig egal. Wir haben nämlich mit unserem Bezirk auch den Jahrmarkt der Eitelkeiten verlassen und sind im alten Westberlin angekommen, als es solche Wohnungen noch zu mieten gab.

Es ist ein Umfeld, in dem Schein gleich Sein ist, und das verändert den Blick auf die anderen Gäste. Viele, sehr viele Menschen. Viele dieser gealterten Jungen, entweder sehr hager und ab 50 dann eher verhärmt als underground aussehend, oder feist geworden, hängebackig, mit traurigem Blick ins nächste Decolletee. Die teuren Hemden und Armbanduhren, die auch herumlaufen, werden von diesem Ambiente verschluckt wie in einer Zeitmaschine, die nur das wesentliche zurückläßt, und wir können diesem Prozess zusehen. Er bringt die Leute mit den verschiedensten Biografien auf einen gemeinsamen Nenner, und einige stehen ganz benommen herum und bekommen Erinnerung und Gegenwart nicht mehr auseinander.

Dann passiert langsam etwas sehr schönes, und darum sind A. und ich auch lange dageblieben, obwohl wir vor Müdigkeit kaum laufen konnten: es hatte mit Musik zu tun, aber nicht nur. Der DJ sitzt an einem Powerbook, mit iPod und allem, und spielt diese ganzen uralten 15-Minuten-Stücke, mit endlosen Gitarrensoli, alte CAN-Sachen (kennt jemand noch „Aspirin“?), und alle, alle tanzen. Die alten Hippies mit Käppi und Bart genauso wie die üblichen barfusss-Frauen und die Seidenhemden und Anzugträger, in einem leeren, trüb beleuchteten Raum, alle nebeneinander. Es gab keine Anmach-Atmosphäre mehr wie auf sonst fast jeder Party, wenig Smalltalk, einige Joints, es ging wirklich um die 50 Jahre Leben, die da gefeiert worden sind.

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